Sonntag, 27. Oktober 2013

 Interview: Dirk Bernemann.

Der Oktober hat für unser famoses SUPREME Mag so einiges an frischen Wind mit sich gebracht. Wenn nicht sogar einen Orkan an großartigen Neuerungen. Unter anderem haben wir die Kategorie Local Heroes ins Leben gerufen, in der wir an jedem zweiten Montag im Monat eine feinst erlesene Auswahl zahlreicher Local Heroes aus unseren Städten vorstellen. Jene Persönlichkeiten, die besondere Projekte auf die Beine gestellt haben, Musik machen, Kunst schaffen oder einfach einen ausgefallenen Lebenstil pflegen. Oder alles zusammen.

Da wir uns ja bekanntlich nicht lumpen lassen, haben wir die erste Runde direkt mit einem jungen Herrn gestartet, der in der deutschen Literaturszene mit seinen provokanten Büchern schon für ordentlich Furore gesorgt hat. Die Rede ist von keinem Geringeren als Dirk Bernemann himself. Ein Kind der 70er. Punkrocker. Mensch unbehaglicher Wohlfühlworte. Der unauffällig Fallende. Oder schlichtweg - mein deutscher Lieblingsautor. Wenn es möglich wäre, würde ich seine Bücher intravenös zu mir nehmen. Die Sucht packte mich schon nach seinem Debütroman Ich hab die Unschuld kotzen sehen. Anfangen und nicht mehr aufhören können. Wie die Junkies im Park vor meiner ehemaligen WG. Stoff in Form von Papier. Bedruckt mit schwarzen Buchstaben. Immer wieder bin ich fasziniert davon, was Dirks geschriebene Worte in mir auslösen können. Bei jedem seiner bisher acht veröffentlichten Romane, durchlebte ich ein Wechselbad der Gefühle. Mal standen mir die Tränen vor Lachen in den Augen und mal vor Entsetzen, Wut oder Trauer. Ja, das Münsterland kann stolz auf einen solchen Exportschlager sein.

Nun ist's aber genug mit der Honig-ums-Maul-Schmiererei. Lassen wir jetzt einfach das kleine Interview für sich sprechen, welches ich mit the one and only Dirk Bernemann führen durfte:


Du wirst des Öfteren als der „Charles Bukowski der deutschen Literatur“ bezeichnet. Was hältst du von diesem Vergleich?
Nun ja, ich mag Bukowski, aber dieser Vergleich hinkt kriegsveteranengleich. Ich habe bessere Haut, war nie Postbote und aus Alkohol mache ich mir nur selten was Schönes und nie Geschichten. In der Schreiberei haben wir, so glaube ich, auch ganz andere Herangehensweisen. Aber die Direktheit meiner ersten beiden Bücher, die ist unter anderem von den Punchlines von Buk inspiriert. Da hängt viel von meiner Jugend an diesem Autor. Er hat schon einige Türen aufgerissen, was für Menschen wie mich einiges einfacher gemacht hat, eine direkte Schreibweise einer nicht ganz so deutlichen vorzuziehen.

In deinen Büchern und Gedichten spielt Gewalt oft eine tragende Rolle. Würdest du dich selbst dennoch als Pazifist bezeichnen?
Absolut, Gewalt lehne ich grundlegend ab. Gewalt ist die totale Kapitulation des Geistes.

Basieren einige deiner Geschichten auf wahren Begebenheiten oder weisen autobiografische Züge auf?
Natürlich ist immer was von mir ganz persönlich drin, in diesen Stories, das ist komplett unvermeidbar. Mein Schriftstellergehirn ist auch gleichzeitig mein Privatgehirn und diese Gehirne denken nur für einen Körper und das ist meiner. Ha. Vortreffliche Logik. Aber es ist immer nur ein geringer Prozentteil, in den aktuellen Sachen, aber etwas mehr.

Kommt es vor, dass sich Leute in deinen Büchern wiedererkennen?
Ja und das erschreckt mich immer wieder. Teilweise denke ich mir Sachen aus, die ich selbst für abgedreht halte und dann kommen Leute zu mir und erzählen mir, dass es sich in ihrer Biographie ähnlich zugetragen hat. Ich bin stets im höchsten Maß darüber erstaunt.

Wie kann ich mir einen Tag als Dirk Bernemann vorstellen?
Es gibt keine typischen Tage, also gar nicht. Die Konstanten meiner Tage sind Kaffee und gute Musik und mindestens immer der Versuch, dem optimalen Buch, was ich zu schreiben gedenke etwas näher kommen zu wollen.

Mir kam zu Ohren, dass du jetzt auch Musik machst. Magst du dazu etwas mehr verraten?
Ja, es wird so ein Spoken Word Album mit Postrock und experimenteller Musik. Das Konzept war, ich gehe nur mit einem Textzettel bekleidet in ein Musikstudio und darf alles bespielen, worauf ich in den nächsten acht Stunden Lust habe. So klingen auch die fertigen Songs. Platte kommt. Mit Sicherheit.

Welches Buch und welches Musikalbum haben dich und dein Leben am meisten geprägt?
Buch: da muss ich leider auf mein erstes Buch verweisen, „Ich hab die Unschuld kotzen sehen“, danach ist mir soviel passiert, was ich davor nicht für möglich gehalten habe und Platte: Disintegration von The Cure und Boaphenia von Phillip Boa and the Voodooclub, mit diesen Platten habe ich viele Dinge durchgemacht. Diese Platten sind wie lange Freunde, denen man gerne begegnet.

Beschreibe dich in fünf Worten.
Grau, schwarz, orange, Wasser und Buchstaben.

Gibt es Dinge, die du hasst, die andere aber lieben? Wenn ja, welche?
Kartoffeln. Mit meiner Missgunst für die gemeine Kartoffel stehe ich sehr oft alleine da. Ich hasse sie aber aus tiefster Seele und wünsche ihr nur schlechtes. Scheiß Kartoffel.

Wenn du auswandern müsstest, in welches Land würde es dich ziehen und warum?
Über Umzug habe ich in letzter Zeit überhaupt nicht nachgedacht, weil ich gerad sehr zufrieden bin, mit da, wo ich stehe und lebe. Ich bin an einem Ort gelandet, wo es viel zu entdecken gibt und den ich gleichzeitig liebe und hasse. Aber ich bin großer Fan der holländischen Nordseeküste. Dort zu atmen ist eins der schönsten Dinge wo gibt.

Was verbindest du mit Münster?
Zuallererst natürlich die Offliteraturszene dieser Stadt, die ausgeprägt und gut ist und eine schöne Veranstaltungsvielfalt an den Tag legt. Da fahre ich immer wieder gerne hin, um Leute da zu besuchen oder für schöne Lesungen. Münster ist oberflächlich sauber und innen drin schön schmutzig, was ein ziemlich kaputter Widerspruch ist, den ich aber immer gemocht habe. Münster ist inspirierend, von überschaubarer, aber wohltuender Langeweile und kann mich trotzdem glücklich machen.

Zum Schluss noch eine Frage, die vor allem mich nicht richtig schlafen lässt: Wann erscheint endlich dein nächstes Buch?
Voraussichtlich im Dezember 2013. Ich hoffe, der nächste Schlaf wird jetzt ein gnädigerer. Au revoir.



1 Kommentar:

  1. Sehr cool!
    Ich mag die Bücher von Dirk Bernemann, deshalb hab ich mir sehr gefreut, als ich deinen Post gesehen hab! :)
    Lara von Kleiderkraenzchen.

    AntwortenLöschen

x.